10.7.2020 , immer schön ruhig bleiben –
und
am Rande einpaar Fotos...
Die vorletzte ATH-Geschichte vom 24.1.2019 endet mit dem Satz: "Also sollten wir weiterhin mehr an
uns selbst arbeiten, denn immer bei uns selbst fängt die Veränderung und das
Training an….."
Das greife ich noch mal auf und beginne damit meine heutigen Gedanken.
Es
beschäftigt mich, immer wieder zu sehen, wie normal es ist, dass Menschen ihren
Fokus auf Dinge richten, die sie eigentlich nicht wollen, statt auf das, was sie
wollen.
Bei Hundehaltern ist es meistens das
Hochspringen, das Ziehen an der Leine, das Bellen, egal ob aus Freude oder um zu warnen, die Unaufmerksamkeit im
Training, das Vertreiben von Zaungästen, das Betteln, das Fiepen, das Jagen und
vieles mehr…… normales Hundeverhalten eben.......
Übrigens haben alle diese Fotos überhaupt nix mit dem Text zu tun - sie sind lediglich zur Zierde und zur Unterhaltung....
Oft sehe ich wie gestreßt oder genervt der Mensch hier
ankommt. Leine vergessen, Clicker vergessen, Decke liegt im Auto......
Er hat seine Alltagsprobleme mitgebracht und geht von vorn herein
davon aus, dass auch der Hund sowieso nicht gut drauf ist.
Er erwartet oft nichts
anderes als einen unaufmerksamen Hund.
Hier in der Hundeschule kommt dann noch mehr Stress hinzu:
weil jeder den Anspruch hat alles richtig zu machen,
weil die andern zugucken ,
weil man sich den Ablauf im Parcours merken soll,
weil man auch noch den Hund
so führen sollte, dass er versteht, was man von ihm will , obwohl man nur 2 Hände für Leine, Clicker, Belohnung,
Handzeichen bzw. Körpersprache hat…..
Manchmal sag ich „hallo, wir sind hier nicht in einer
Prüfung, schön ruhig bleiben, alles ist gut – ommmmm….“
Nicht nur Freude und Frust den Hund betreffend, sondern auch die Stimmung die man von zuhause
mitgebracht hat, wie Enttäuschung, Ärger, Trauer, Verunsicherung – je nachdem
was der Alltag für jeden einzelnen so mit sich brachte, beeinflußt das Team.
Aus der Distanz heraus sieht man dann oft welche Kommunikationsprobleme
Mensch und Hund miteinander haben, wie sie sich in Mißverständnisse verstricken
und ja …..wie sie sich spiegeln.
Genervter Mensch, genervter Hund.
Und es kommt noch schlimmer:
Besonders wenn es ja eigentlich zu Hause schon so gut
klappt, nimmt man dem Hund seine Aussetzer im Training unfairer Weise besonders
übel. Dem einen oder anderen Menschen tut das dann gleichzeitig leid und man
verunsichert den Hund durch Doppelbotschaften zusätzlich:
Was soll Hund denken, wenn man einerseits meckert und
sich gleichzeitig durch Streicheln und Knuddeln dafür entschuldigt, dass man
meckert ?
Was soll er dem Wortsalat
entnehmen, wenn man seinen Wortschatz überfordert, indem man ihm in langen Sätzen
erzählt, dass er sich lieber anders verhalten soll, weil er das doch eigentlich
schon so gut kann.
Was soll er den Infos entnehmen, wenn sich Worte und
Körpersprache widersprechen,
oder wenn man für eine bestimmte Handlung 3
verschiedene Wortsignale benutzt, die dann auch noch von der menschlichen
Körpersprache außer Kraft gesetzt werden.
Ich habe in den vielen Jahren gelernt, nicht
immer alles, was ich aus der Distanz heraus
sehe, sofort zu kommentieren, sondern möglichst erst, wenn Mensch wieder zuhören kann.
Das Gesagte soll schließlich im Kopf ankommen damit es irgendwann praktisch umgesetzt
werden kann. Ich versuche (wirklich meistens) Rücksicht zu nehmen auf die besondere Situation für Mensch und Hund hier
in der Hundeschule. Manchmal kann ich es aber auch nicht zurückhalten....
Wichtig ist: Der Hund braucht, wie sein Mensch, genau die gleiche Rücksichtnahme.
Unser Anliegen muß bei ihm ankommen können, damit er sich entsprechend
verhalten kann. Dazu brauchen wir zu allererst seine Aufmerksamkeit um Einfluß
nehmen zu können! Und natürlich gute Argumente.....
Hunde sind wie wir , nicht immer gleich gut drauf.
Sie leiden wie wir unter Hitze, Kälte, Überforderung, schlechter Stimmung usw. Möglicherweise tut ihnen auch etwas weh und
sie verweigern den einen oder andern Auftrag mit gutem Grund.
Wir sollten nicht
immer gleich denken, dass sie nicht gehorchen wollen. Sondern, ohne grundsätzlich
auf der Negativschiene zu verweilen, überlegen, wie wir den Stress aus der
Situation nehmen können.
Auch im Hundetraining gilt: Aus Mangel an Beweisen erstmal immer für den
Angeklagten!
Am besten gelingt das, wenn wir uns im Training nicht
gleich in eine Aufgabe stürzen, sondern uns erstmal sammeln und Hund und Mensch
beieinander ankommen können. Deshalb starten wir immer an einem bestimmten
Punkt. Hier sollt ihr innehalten, atmen,
ruhig werden, dann einen eindeutigen Auftrag geben und gemeinsam ruhig starten.
Manche Hunde brauchen einen Moment länger bevor sie
auf ein Signal wie z.B. „fuss“ oder „sitz“,
das ja erst einmal im Gehirn
entschlüsselt werden muß, mit einer Handlung reagieren können.
Und wenn wir uns vorstellen, dass sie bei
unklaren Aufträgen oder Doppelbotschaften, auch
noch rätseln müssen, was Mensch denn nun eigentlich meint, wären wir gut
beraten uns einwenig in Nachsicht zu üben und natürlich in Klarheit !
Einfach ruhig bleiben, 2 Schritte gehen, atmen und es mit Wohlwollen noch mal
versuchen, ist manchmal schon die halbe Miete.
Ich dachte mir, vielleicht hilft es, wenn man sich mal verdeutlicht,
was da eigentlich in dem kleinen Hundegehirn abläuft , wenn der Hund eine Info oder
einen Auftrag von euch bekommt.
Es gibt den sogenannten sensomotorischen
Regelkreis, der es anschaulich macht. Als Heilpädagogin (vor gefühlten 100 Jahren) habe ich ihn oft in Fortbildungen oder
Seminaren für Verdeutlichungen herangezogen.
Damals ging es um Kinder. Und ich stelle immer wieder fest, dass die Arbeit mit Eltern von Kindern sich eigentlich kaum von der Arbeit mit Hunde"eltern" unterscheidet.
der sensomotorische Regelkreis
Das passiert, wenn wir dem Hund eine Info geben:
es beginnt mit der
Reizaufnahme:
zunächst nimmt er eure Info , z.B. das Signal „sitz“, über seine Sinnesorgane
auf. Die Ohren hören das Wortsignal, die Augen sehen das Sichtzeichen, den
erhobenen Zeigefinger, manchmal spürt er auch noch leider einen Finger der sein
Hinterteil runterdrückt…..
Weiterleitung:
über die Nervenbahnen werden diese Informationen weitergeleitet zum Gehirn.
Verarbeitung:
das was nun im Gehirn ankommt wird erstmal sortiert. Möglicherweise waren die
Infos eindeutig und der Hund erkennt sofort was gemeint ist. Gleichzeitig muß
er andere eintreffende Reize hemmen bzw. ausblenden, denn es kommen auch noch
unzählige andere Infos im Gehirn an:
Infos aus dem eigenen Körper, wie z.B.
Juckreiz, Schmerzen oder irgendwas ist zu eng, zu warm, zu kalt ….. der Hund 2
m weiter knurrt ihn vielleicht gerade an oder fixiert ihn. Mensch will aber
nicht dass er darauf reagiert. Er muß diese andern Reize also ausblenden und
sich nur auf das gegebene Signal konzentrieren. Wenn das Signal nun aber
doppeldeutig war oder er gar zweisprachig (Herrchensprache/ Frauchensprache) aufwächst, muß
er filtern, einordnen und eine Entscheidung treffen.
Ihr seht es ist nicht so
einfach für den Hund sich sofort richtig zu verhalten.
Reaktion:
das Gehirn muß nun über Nervenbahnen und Rezeptoren die Erkenntnis in eine angemessene
Handlung hineinführen: „Po runter“ ! Das kann manchmal etwas dauern – je nachdem
wie ausgeprägt und störungsanfällig die Datenautobahn und die
Verschaltungen im Gehirn sind.
Rückmeldung:
je nachdem welche Reaktion der Hund auf das gegebene Signal gezeigt hat, reagiert
Mensch oder Umwelt mit Bestätigung oder Korrektur und auch der eigene Körper
gibt eine Rückmeldung. Denn der sagt ja über den Muskelsinn (die
Tiefensensibilität, die Propriozeption), ob der Po unten angekommen ist.
Dieser Rückmeldung entnimmt der Hund wiederum Informationen in Form von Reizen und
immer so weiter….
Ihr versteht jetzt vielleicht, wieso der Hund
manchmal etwas länger braucht um zu reagieren…….
Und das nicht nur wenn das Gehirn
in der Pubertät eine Großbaustelle ist.
Störfaktoren gibt es in jedem Alter.
Also
bleibt fair und nachsichtig!
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